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Ein Parlamentsgesetz zur Restitution von NS-Raubkunst aus staatlichen Sammlungen in Frankreich

Die Fallstricke des französischen Kulturgutschutzrechts

DOI https://doi.org/10.15542/KUR/2022/1/2

Johannes von Lintig


Am 15. Februar 2022 hat das französische Parlament ein Gesetz verabschiedet, das die Restitution von insgesamt 15 Einzelwerken aus den öffentlichen Sammlungen des französischen Zentralstaates und der Gemeinde Sannois vorsieht. Die Werke gehörten ursprünglich Verfolgungsopfern, die diese im Kontext der NS-Herrschaft in Europa verloren haben. Der Rückgriff auf das Parlament als Akteur dieser Restitution mag gerade im internationalen Vergleich erstaunen, da Restitutionen meist nach Verhandlungen zwischen Halteinstitutionen und Antragstellern oder nach einer entsprechenden Empfehlung durch eine staatliche Kommission erfolgen. Gleichwohl ist dieses Vorgehen weniger einem Bedürfnis nach mehr Transparenz und Öffentlichkeit als vielmehr den rechtlichen Zwängen des französischen Vermögens- und Kulturgutschutzrechts geschuldet, welches Restitutionen aus staatlichen Sammlungen bislang faktisch ausschließt. Der Umweg über den parlamentarischen Gesetzgeber ist in den allermeisten Fällen unvermeidlich und zwar auch dann, wenn das Werk einen eindeutigen historischen Unrechtsbezug aufweist. Im Zuge dieses Gesetzgebungsverfahrens wurden nunmehr auch Forderungen nach einer Reform laut. In ihrer Anhörung vor der Nationalversammlung stellte die Kulturministerin Bachelot schließlich eine Gesetzesreform für die kommende Legislaturperiode in Aussicht, die Restitutionen von Raubkunst auf Grundlage eines Rahmengesetzes ermöglichen soll. Der folgende Beitrag geht überblicksartig auf die aktuelle Rechtslage ein und stellt mögliche Ansätze für eine Gesetzesreform vor.



On 15 February 2022, the French Parliament passed a law providing for the restitution of a total of 15 individual works from the public collections of the French state and the commune of Sannois. The works originally belonged to victims of persecution who lost them in the course of Nazi rule in Europe. The recourse to parliamentary intervention may at first glance appear surprising, especially in comparison to other countries where restitutions usually take place following negotiations between museums and claimants or proceedings before a state commission. This procedure is due less to a desire for more transparency and publicity, but rather to the mere restrictions posed by France’s patrimony laws, which have de facto prohibited restitutions from state owned collections until now. Thus recourse to a law is inevitable in the vast majority of cases, even if the work has a clearly established nazi background. However, in the course of this legislative process, demands for reform have now been voiced. In her hearing before the National Assembly, Culture Minister Bachelot made promises about a legal reform for the coming legislative period that would enable restitution of looted art on the basis of a general restitution framework. The following article provides an overview of the current legal situation and presents possible approaches for a legal reform.


Johannes von Lintig 1

1 Johannes von Lintig, Diplomjurist, Maître en droit (Paris X) ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsprojekt „Restatement of Restitution Rules“ unter der Leitung von Prof. Dr. Matthias Weller, Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Professur für Bürgerliches Recht, Kunst- und Kulturgutschutzrecht, Universität Bonn. Begleitend promoviert er bei diesem zur Restitutionspraxis in Frankreich.

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